Winterferien, also Skifahren. Wir fahren schon wieder nach Neustift am Stubaier Gletscher. OK, so ganz große Begeisterung sieht anders aus ob der gewählten Destination. Aber hier kommen Eure Großeltern nunmal sehr einfach und komfortabel mit dem Zug hin; sie fahren nämlich wieder mit. Oder zumindest habe ich das geglaubt bis ein paar Wochen vor Abfahrt. Dann eröffnen sie uns, daß es für sie nach Vietnam geht und sie ihre Ferienwohnung storniert haben. Also im Prinzip ist uns die Ursache für den erneuten Tiroltrip schlicht abhanden gekommen. Auch gut. Ein paar Wochen vor den Winterferien noch einen alternativen Campingplatz über Sylvester zu finden kommt Lotto spielen gleich. Aber ich habe es artig versucht und erst nach der fünften Absage aufgegeben.
Eure Mutter sammeln wir in Stuttgart von der betrieblichen Weihnachtsfeier ein und sind am frühen Abend des ersten Ferientags vor Ort. Es hat ein bisschen was von „Täglich grüßt das Murmeltier“. Und zwar im doppelten Sinne. Im vergangenen Jahr fiel an bekanntlich gleicher Stelle die Heizung unseres Campers aus und wir haben uns mit diversen eilig zusammengekauften Heizlüftern beholfen. Die Heizung ist zwar zwischenzeitlich gegen eine neue ausgetauscht, hat auch probeweise im Herbst funktioniert, nur leider jetzt nicht. Praktischerweise haben wir die besagten Heizlüfter diesmal bereits dabei und somit fassen wir einen zweifachen Entschluss: Erstens sind die Skiferien gerettet und zweitens ist das definitiv der letzte Urlaub in unserem Reisemobil. Das Ding wird langsam eine Geldversenkungsmaschine, so viele Reparaturen waren in der letzten Zeit zu verzeichnen. 12 Jahre sind offenbar genug. Ich verbringe die Skibusfahrten ab sofort damit nach einem geeigneten Nachfolger zu forschen. Denn das wir wieder ein Wohnauto, wie das Gefährt bei uns immer noch seit Sarah Sophies frühkindlicher Bezeichnung heißt, brauchen, erklärt ihr beiden mir vehement. Das dürfte dann das Projekt für den Januar werden. Zum Ende der Ferien stehen drei Modelle zur Auswahl deren Besichtigung wir auf die ersten Wochen nach Rückkehr legen. Wer mir noch eine Woche zuvor gesagt hätte, daß wir einen neuen Camper kaufen, den hätte ich für völlig verrückt erklärt. So gilt im Hause Reichmann mal wieder das Prinzip „Was interessiert mich mein Gequatsche von gestern!“
Zurück nach Neustift.
Und da sind wir beim nächsten absurden Murmeltiereffekt: Leo möchte kein Snowboard fahren, sondern ausschließlich Ski. Das hatten wir doch schonmal. Wozu dann das neue Snowboard für Dich sein soll, bleibt wohl Dein Geheimnis. Eure Mutter versteht die Welt nicht mehr und Sarah Sophie mischt diplomatisch kräftig mit. „Leo braucht auf jeden Fall noch einen Kurs, er fährt die Kurven noch nicht richtig.“ lautet der fachfrauliche Rat aus der Schwesterecke, wohlwissend ignorierend das dieser Kenntnisstand knapp ein Jahr alt ist. Aber egal, einen drauf setzen geht bekanntlich immer. Normalerweise verlasse ich irgendwann diese absurden Diskussionsrunden weil der Hund genau dann zufällig gerade raus muss. Das ist besser für Euch und mich. Dummerweise hockt Emma gerade im Hundehotel 800 km entfernt. Pech gehabt, ich bleibe. Das ganze Palaver vergnügt uns den ganzen Abend und kommt doch tatsächlich irgendwann nach dem Abendessen zu einem gelungenen Abschluss.
Du willigst – sogar ernsthaft freiwillig – ein, die nächsten Tage zunächst gemeinsam mit Deiner Mutter und Schwester zu boarden um auszuloten wo noch Verbesserungspotentiale zu entdecken sind. Mir ist bis dato nicht bewusst, wie leidensfähig Du zu sein scheinst.

Das intrafamiliäre Lernexperiment bringt erstaunlichen Erfolg und Du verweigerst derart einen weiteren Snowboardkurs, daß Du dich sogar damit abfindest es genau bei dieser Konstellation zu belassen. Ich bin schwer verwundert. Im Endeffekt fährst Du in diesem Winter überhaupt kein Ski, sondern ausschließlich Snowboard. Wie Eure Mutter das angestellt hat möchte ich wahrscheinlich gar nicht wissen, aber am Ende gibt sogar seitens der schwesterlichen Großfachkompetenz fast nix mehr zu bemäkeln.
Dafür verordnet sich Sarah Sophie, daß Skifahren in einer Gruppe Gleichaltriger um Längen cooler sein dürfe als mit der langweiligen eigenen Mischpoke. Also gehst dann eben Du in die Skischule, die genau das anbietet. Es kann ja nicht sein, daß wir hier noch etwas sparen können. Urlaub grotesk.
Und zum Ende desselben, verkünden die Damen des Hauses in den kommenden Winterferien überhaupt nicht mit uns in die Berge zu fahren sondern stattdessen Sylvester in St. Petersburg zu verbringen. Das man dorthin aktuell zwar gar nicht direkt fliegen kann interessiert hier in Absurdistan selbstverständlich niemanden. Aber auch dafür gibt es natürlich eine Lösung: „Von der estnischen Hauptstadt Tallinn fährt ein Bus nach St. Petersburg.“ grinst Eure Mutter über das ganze Gesicht.
Das stimmt, damit bin ich sogar selbst schonmal gefahren. Ich glaube an der Grenze habe ich absurd lange gewartet, aber das passt ja dann ins Bild.
Gute Fahrt.