Oktober und November verhalten sich derart unaufgeregt, daß es genau genommen nur drei Unterfangen gibt.
Nummer Eins ist ein Graffiti-Workshop in Berlin an dem Sarah Sophie teilnimmt und zu dem Eure Mutter das spannendste Hotel überhaupt gebucht hat. Wir residieren in einer Art Jugendherberge umringt von zahllosen Schulklassen auf Klassenfahrt. Aber dafür mitten in Kreuzberg mit eigenem Parkplatz im Hinterhof. Das ist auch nicht schlecht. Und wir sind jetzt um die Erfahrung reicher in einem Zimmer mit vier Etagenbetten zu nächtigen. Ansonsten besuchen wir Freunde und holen uns unsere Dosis Berliner Luft ab, ohne die es bekanntlich in unserer Familie nicht geht. Berlin mal wieder abgehakt.

Nummer Zwei sind die faulsten Ferien überhaupt. In den Herbstferien geht es mal wieder nach Sizilien. Üblicherweise starten wir hier eigentlich einen Roadtrip und juckeln gemütlich auf der Insel umher. Diesmal ist aber anders. Ich habe einen recht imposanten Strand gefunden und einer der örtlichen Campingplätze hat freundlicherweise noch geöffnet, was nicht selbstverständlich um diese Jahreszeit ist. Kurioserweise ist die touristische Infrastruktur früher im Jahr geschlossen je weiter man in Italien nach Süden fährt oder anderes ausgedrückt auf Sizilien hat weit mehr als die Hälfte aller Camping- und Stellplätze schlicht geschlossen. Der eine an besagtem Strand in San Vito Lo Capo rund 100 km östlich von Palermo aber eben nicht und so landen wir hier. Und dann passiert gefühlt zwei Wochen gar nix. In der ersten Woche findet ihr schnell Freunde und vor allem Leo verbringt mit ebendiesen den ganzen Tag auf dem Fußballplatz. Konkret ist dies auch der eigentliche Grund warum wir hier hängen bleiben. Leo kann sich ordentlich auspowern was für den Familienfrieden in diesen Tagen mehr als förderlich ist. Ich nehme an man versteht was ich meine. Campingplätze mit Fußballplatz und Pool haben unschlagbarer Vorteile.

Somit verbringen wir viele Tage am Strand mit genüßlichem Nixtun und finden das auch gar nicht so schlimm. Sarah Sophie handelt noch zwei Tage Citytour in Palermo am Ende raus bevor es wieder auf die Fähre nach Genua geht. Herbstferien vorbei.
Und Nummer Drei: Sarah Sophie besucht seit einigen Monaten eine Schauspielschule und Leo kann es selbstverständlich nicht auf sich sitzen lassen in diesem Bereich nicht aktiv zu sein. Du gehst zum Film. Die Jüdische Gemeinde dreht einen Film zum Thema Mobbing und sucht einen Darsteller in deinem Alter. Daher begibst Du dich seit mehreren Monaten jeden Sonntag ans Set.
Ulkigerweise spielst Du ein Mobbingopfer was in etwa zu Deiner Persönlichkeit passt wie Tangotanzen zu Elefanten oder so ähnlich. Eine wie auch immer geartete „Opfermentalität“ ist dir glücklicherweise völlig fremd. Die große Schwester ist da durchaus helfend zu Stelle und gibt ausgiebig Ratschläge wie die Rolle anzulegen ist. Geprobt wird in den Kinderzimmern und Sarah Sophie brilliert in der Täterrolle. Zwischenzeitlich vergesst ihr fast, daß nur Leo in dem Film mitwirkt so erbaulich seit ihr zugange.

Im November ist alles abgedreht, geschnitten und es steht somit die Premiere in der Synagoge an. Zu dieser tauchen wir in vollständiger Familienstärke nebst Euren Großeltern auf. Die sind auch ordentlich verzückt ob deiner cineastischer Darbietung und verschicken in den kommenden Tagen den Downloadlink zum Film an gefühlt jeden der ihn haben will oder nicht. Selbst ich haben ihn nochmal von ihnen gemailt bekommen, wahrscheinlich um absolut sicher zu gehen, daß hier auch ja nichts verloren geht.
Trefflich behandelt ihr in der Schule jetzt gerade ebenfalls das Thema Mobbing. Und da ist der neue Filmstar als Experte natürlich direkt dabei. Und dank deiner Schwester kannst Du sowohl als Täter wie Opfer dein geballtes Wissen beisteuern.
Behalte Dir nur bitte deine verneinende Betrachtung zu Opferrollen bei. Ansonsten dreht Deine Mutter durch. Und dann ist hier ganz schnell doch was los. Und zwar richtig. Und das braucht ja nun wirklich niemand.