Es soll einfach nicht klappen. Der neue Camper wartet weiterhin auf seinen ersten Einsatz. Und dabei hat Leo einen so guten Plan. Auswärtsfahrt zu Fortuna nach Braunschweig. Eine formidable Idee, liegt doch ein Reisemobilstellplatz nur 15 Minuten zu Fuß entfernt an einem Schwimmbad. Somit perfekte Rahmenbedingungen für ein gelungenes Wochenende, entsprechendes Ergebnis im Eintrachtstadion einmal vorausgesetzt. Jeder Fußballfan weiß: Auswärtsspiele im Gästeblock sind stimmungsmäßig eine Klasse für sich. In dieser Saison haben wir das bereits in Karlsruhe und Kaiserslautern erlebt. Aus der Pfalz ist Leo allerdings mit sehr hängendem Kopf wiedergekommen. Auf jeden Fall gilt auch bei uns die alte Kurvenregel: „Wer danach noch Stimme hat, war nicht dabei.“ Mehr Emotion geht fußballerisch glaube ich nicht. Und genau diese Begeisterung versuchst Du auch Deiner Schwester beizubringen, denn die soll unbedingt mit. Ihr habt immer mal wieder Phasen, wo der jeweils andere unbedingt dabei sein muss, unabhängig davon, daß ihr Euch zwei Minuten vorher noch die Pest an den Hals gewünscht habt. Der Trip nach Niedersachsen ist so ein Stadium. Allerdings eher als Einbahnstraße, denn Sarah Sophie startet in den Monat, vorsichtig ausgedrückt, etwas behäbig.
Lustlos wäre noch dynamisch ausgedrückt. So kenne ich Dich überhaupt nicht. Aber wenn Du etwas machst, machst Du es richtig – bedeutet zwangsläufig Du möchtest aktuell einfach das große Nix. Leo versucht alles und präsentiert ein Schwimmbad, in dem Du zwar noch nie gewesen bist, in buntesten verbalen Farben. Hilft aber alles nichts und Sarah Sophie zieht sich die sprichwörtliche Decke über den Kopf.
Leo haucht mir ein flüsterndes „Mädchen!“ zu und schaut lieber wie man vom Schwimmbad zum Stadion kommt. Das darfst Du Dir aber kurze Zeit später eventuell für die kommende Saison überlegen, da sich die Termin-App Deines Fußballvereins gerade meldet und am Braunschweig-Samstag dein eigenes Auswärtsspiel für 11:30Uhr vermeldet. Umgehende Planungsstopp zwangsläufig inklusive. Der Camper bleibt geparkt.
Anderes Wochenende – andere Herausforderung:
Wir sind zur Konfirmation der Tochter unserer Freunde eingeladen. Eine Tagesveranstaltung mit Kirche, Restaurant und Gartenparty. Sarah Sophie wiegelt direkt ab. „Wieso muss ich in eine Kirche? – Das Restaurant kenne ich nicht! – Was soll ich bei denen im Garten machen? – usw.“. Ich sag mal Totalverweigerung beschreibt die Lage wohl ganz treffend. Zumindest möchtest Du wissen was denn eine Konfirmation überhaupt ist. Ich erkläre artig und hoffe inständig auf Belebung der Aktivitätsbereitschaft. Völlig vergeblich. Es fruchtet nichts. Also Steigerung: Der Hinweis, das zu einer solchen Veranstaltung durchaus feiner Zwirn getragen wird und Du selbstverständlich nicht in demselben Abendkleid wie zu Mias Bat Mizwa gehen kannst, wir also ein Neues erwerben müssen. Auf den Gästelisten beider Festlichkeiten sind wir übrigens die einzige Überschneidung, aber das muss hier jetzt ignoriert werden, denn die Lage ist ernst. Die Idee findest Du wiederum gut, wird auch in die Tat umgesetzt, hält das Bereitschaftskaliber aber nur bedingt hoch.
Kurzfristig denken Eure Mutter und ich über die Möglichkeit „Kraft autoritärer Willkür“ nach.
Zwischenzeitlich kommt Leo mit dem Fortuna-Spielplan um die Ecke und erkundigt sich, wann das denn genau ist. Jetzt heißt es umschalten, hier kommt die nächste Baustelle. Während der Zeremonie in der Kirche solltest Du mit Deiner Mannschaft zum Ligaspiel auf dem Platz stehen und zeitgleich zur Ansetzung des Mittagessen empfängt Fortuna vor ausverkaufter heimischer Kulisse den FC Schalke 04. Volltreffer, aber leider daneben. Vorsichtshalber führen wir dieses Gespräch unter vier Augen, damit Du nicht erneut versuchst Deine Schwester mit ins Boot zu holen. Ich gelobe mich mit Deiner Mutter zu beraten wie die missliche Lage zu beheben ist. Also zeitnahe ergebnisoffene elterliche Beratschlagung.
Eure Mutter argumentiert pragmatisch: “Es reicht doch völlig, wenn Du mit Sarah Sophie in die Kirche gehst.“ Sie dann mit Leo zum Fußball und zu Fortuna geht er eben mit jemand anderem. Und den hat sie sich auch schon ausgeguckt. Mein Kumpel Andy, der sei ja auch Fortuna-Fan. Ab Restaurant ist sie dann dabei. Noch bevor ich dagegen argumentieren kann, daß wir das ebenso mit genau umgedrehter Elternbeteiligung über die Bühne gehen lassen können, ruft sie Andy an und fragt nach was er denn davon hält eine Karte für das ausverkaufte Spiel gegen Schalke zu bekommen? Kurze Situationsbeschreibung und die Sache ist erledigt. Warum man ein solches Topspiel nicht auf 20:30Uhr legt weiß wohl nur der DFB.

Zurück zum anderen Kind. Ein paar Tage später bekommt Sarah Sophie natürlich mit, daß Leo Kirche und Kulinarik erspart bleiben und möchte auf einmal unbedingt auch ins Stadion gegen den Ruhrpottclub. “Ausverkauft“ zählt natürlich nur begrenzt als Argument, schließlich könne sie als Dreizehnjährige durchaus alleine mit dem kleinen Bruder ins Station. Ich sage schließlIch immer, die Arena sei unser zweites Wohnzimmer und das dürfen ja Kinder nun wohl wirklich ohne elterliche Begleitung betreten. Beweisaufnahme geschlossen.
Es folgt ein alleiniges Mutter-Tochter-Gespräch mit dem Ergebnis, das Sarah Sophie freimütig einwilligt das gesamte Konfirmationsprozedere mitzumachen.
Einen Tag später kommt Du mit Deiner Mutter fröhlich von einer Shoppingtour und präsentierst stolz ein weiteres Kleid für die avisierte Veranstaltung. Auf meine Frage wozu man den zwei Kleider für ein Ereignis braucht gibt lustigerweise Leo die Antwort: „Mädchen!“
Ungeklärt bleibt lediglich eine mögliche Verbindung zwischen den Einkäufen und dem vorangegangenen Gespräch. Aber das ist vielleicht auch gut so.
Und wir haben es sogar fast pünktlich in die Kirche geschafft, obwohl sich irgendjemand mehrfach umziehen musste. Aber das macht man doch nur, wenn man sich für etwas interessiert, oder?