Der 161.-162./ 108-109. Monat – Absurdistan

Winterferien, also Skifahren. Wir fahren schon wieder nach Neustift am Stubaier Gletscher. OK, so ganz große Begeisterung sieht anders aus ob der gewählten Destination. Aber hier kommen Eure Großeltern nunmal sehr einfach und komfortabel mit dem Zug hin; sie fahren nämlich wieder mit. Oder zumindest habe ich das geglaubt bis ein paar Wochen vor Abfahrt. Dann eröffnen sie uns, daß es für sie nach Vietnam geht und sie ihre Ferienwohnung storniert haben. Also im Prinzip ist uns die Ursache für den erneuten Tiroltrip schlicht abhanden gekommen. Auch gut. Ein paar Wochen vor den Winterferien noch einen alternativen Campingplatz über Sylvester zu finden kommt Lotto spielen gleich. Aber ich habe es artig versucht und erst nach der fünften Absage aufgegeben.

Eure Mutter sammeln wir in Stuttgart von der betrieblichen Weihnachtsfeier ein und sind am frühen Abend des ersten Ferientags vor Ort. Es hat ein bisschen was von „Täglich grüßt das Murmeltier“. Und zwar im doppelten Sinne. Im vergangenen Jahr fiel an bekanntlich gleicher Stelle die Heizung unseres Campers aus und wir haben uns mit diversen eilig zusammengekauften Heizlüftern beholfen. Die Heizung ist zwar zwischenzeitlich gegen eine neue ausgetauscht, hat auch probeweise im Herbst funktioniert, nur leider jetzt nicht. Praktischerweise haben wir die besagten Heizlüfter diesmal bereits dabei und somit fassen wir einen zweifachen Entschluss: Erstens sind die Skiferien gerettet und zweitens ist das definitiv der letzte Urlaub in unserem Reisemobil. Das Ding wird langsam eine Geldversenkungsmaschine, so viele Reparaturen waren in der letzten Zeit zu verzeichnen. 12 Jahre sind offenbar genug. Ich verbringe die Skibusfahrten ab sofort damit nach einem geeigneten Nachfolger zu forschen. Denn das wir wieder ein Wohnauto, wie das Gefährt bei uns immer noch seit Sarah Sophies frühkindlicher Bezeichnung heißt, brauchen, erklärt ihr beiden mir vehement. Das dürfte dann das Projekt für den Januar werden. Zum Ende der Ferien stehen drei Modelle zur Auswahl deren Besichtigung wir auf die ersten Wochen nach Rückkehr legen. Wer mir noch eine Woche zuvor gesagt hätte, daß wir einen neuen Camper kaufen, den hätte ich für völlig verrückt erklärt. So gilt im Hause Reichmann mal wieder das Prinzip „Was interessiert mich mein Gequatsche von gestern!“

Zurück nach Neustift.

Und da sind wir beim nächsten absurden Murmeltiereffekt: Leo möchte kein Snowboard fahren, sondern ausschließlich Ski. Das hatten wir doch schonmal. Wozu dann das neue Snowboard für Dich sein soll, bleibt wohl Dein Geheimnis. Eure Mutter versteht die Welt nicht mehr und Sarah Sophie mischt diplomatisch kräftig mit. „Leo braucht auf jeden Fall noch einen Kurs, er fährt die Kurven noch nicht richtig.“ lautet der fachfrauliche Rat aus der Schwesterecke, wohlwissend ignorierend das dieser Kenntnisstand knapp ein Jahr alt ist. Aber egal, einen drauf setzen geht bekanntlich immer. Normalerweise verlasse ich irgendwann diese absurden Diskussionsrunden weil der Hund genau dann zufällig gerade raus muss. Das ist besser für Euch und mich. Dummerweise hockt Emma gerade im Hundehotel 800 km entfernt. Pech gehabt, ich bleibe. Das ganze Palaver vergnügt uns den ganzen Abend und kommt doch tatsächlich irgendwann nach dem Abendessen zu einem gelungenen Abschluss.

Du willigst – sogar ernsthaft freiwillig – ein, die nächsten Tage zunächst gemeinsam mit Deiner Mutter und Schwester zu boarden um auszuloten wo noch Verbesserungspotentiale zu entdecken sind. Mir ist bis dato nicht bewusst, wie leidensfähig Du zu sein scheinst.

Ganz große Schwester, Dezember 2024/ Januar 2025, Stubaier Gletscher, AT

Das intrafamiliäre Lernexperiment bringt erstaunlichen Erfolg und Du verweigerst derart einen weiteren Snowboardkurs, daß Du dich sogar damit abfindest es genau bei dieser Konstellation zu belassen. Ich bin schwer verwundert. Im Endeffekt fährst Du in diesem Winter überhaupt kein Ski, sondern ausschließlich Snowboard. Wie Eure Mutter das angestellt hat möchte ich wahrscheinlich gar nicht wissen, aber am Ende gibt sogar seitens der schwesterlichen Großfachkompetenz fast nix mehr zu bemäkeln.

Dafür verordnet sich Sarah Sophie, daß Skifahren in einer Gruppe Gleichaltriger um Längen cooler sein dürfe als mit der langweiligen eigenen Mischpoke. Also gehst dann eben Du in die Skischule, die genau das anbietet. Es kann ja nicht sein, daß wir hier noch etwas sparen können. Urlaub grotesk.

Und zum Ende desselben, verkünden die Damen des Hauses in den kommenden Winterferien überhaupt nicht mit uns in die Berge zu fahren sondern stattdessen Sylvester in St. Petersburg zu verbringen. Das man dorthin aktuell zwar gar nicht direkt fliegen kann interessiert hier in Absurdistan selbstverständlich niemanden. Aber auch dafür gibt es natürlich eine Lösung: „Von der estnischen Hauptstadt Tallinn fährt ein Bus nach St. Petersburg.“ grinst Eure Mutter über das ganze Gesicht.

Das stimmt, damit bin ich sogar selbst schonmal gefahren. Ich glaube an der Grenze habe ich absurd lange gewartet, aber das passt ja dann ins Bild.

Gute Fahrt.

Der 159.-160./ 107-108. Monat – Faule Ferien und ein Filmstar

Oktober und November verhalten sich derart unaufgeregt, daß es genau genommen nur drei Unterfangen gibt.

Nummer Eins ist ein Graffiti-Workshop in Berlin an dem Sarah Sophie teilnimmt und zu dem Eure Mutter das spannendste Hotel überhaupt gebucht hat. Wir residieren in einer Art Jugendherberge umringt von zahllosen Schulklassen auf Klassenfahrt. Aber dafür mitten in Kreuzberg mit eigenem Parkplatz im Hinterhof. Das ist auch nicht schlecht. Und wir sind jetzt um die Erfahrung reicher in einem Zimmer mit vier Etagenbetten zu nächtigen. Ansonsten besuchen wir Freunde und holen uns unsere Dosis Berliner Luft ab, ohne die es bekanntlich in unserer Familie nicht geht. Berlin mal wieder abgehakt.

Graffiti-Workshop, Oktober 2024, Berlin, D

Nummer Zwei sind die faulsten Ferien überhaupt. In den Herbstferien geht es mal wieder nach Sizilien. Üblicherweise starten wir hier eigentlich einen Roadtrip und juckeln gemütlich auf der Insel umher. Diesmal ist aber anders. Ich habe einen recht imposanten Strand gefunden und einer der örtlichen Campingplätze hat freundlicherweise noch geöffnet, was nicht selbstverständlich um diese Jahreszeit ist. Kurioserweise ist die touristische Infrastruktur früher im Jahr geschlossen je weiter man in Italien nach Süden fährt oder anderes ausgedrückt auf Sizilien hat weit mehr als die Hälfte aller Camping- und Stellplätze schlicht geschlossen. Der eine an besagtem Strand in San Vito Lo Capo rund 100 km östlich von Palermo aber eben nicht und so landen wir hier. Und dann passiert gefühlt zwei Wochen gar nix. In der ersten Woche findet ihr schnell Freunde und vor allem Leo verbringt mit ebendiesen den ganzen Tag auf dem Fußballplatz. Konkret ist dies auch der eigentliche Grund warum wir hier hängen bleiben. Leo kann sich ordentlich auspowern was für den Familienfrieden in diesen Tagen mehr als förderlich ist. Ich nehme an man versteht was ich meine. Campingplätze mit Fußballplatz und Pool haben unschlagbarer Vorteile.

Faule Ferien, Oktober 2024, San Vito Lo Capo, I

Somit verbringen wir viele Tage am Strand mit genüßlichem Nixtun und finden das auch gar nicht so schlimm. Sarah Sophie handelt noch zwei Tage Citytour in Palermo am Ende raus bevor es wieder auf die Fähre nach Genua geht. Herbstferien vorbei.

Und Nummer Drei: Sarah Sophie besucht seit einigen Monaten eine Schauspielschule und Leo kann es selbstverständlich nicht auf sich sitzen lassen in diesem Bereich nicht aktiv zu sein. Du gehst zum Film. Die Jüdische Gemeinde dreht einen Film zum Thema Mobbing und sucht einen Darsteller in deinem Alter. Daher begibst Du dich seit mehreren Monaten jeden Sonntag ans Set.

Ulkigerweise spielst Du ein Mobbingopfer was in etwa zu Deiner Persönlichkeit passt wie Tangotanzen zu Elefanten oder so ähnlich. Eine wie auch immer geartete „Opfermentalität“ ist dir glücklicherweise völlig fremd. Die große Schwester ist da durchaus helfend zu Stelle und gibt ausgiebig Ratschläge wie die Rolle anzulegen ist. Geprobt wird in den Kinderzimmern und Sarah Sophie brilliert in der Täterrolle. Zwischenzeitlich vergesst ihr fast, daß nur Leo in dem Film mitwirkt so erbaulich seit ihr zugange.

Leos Filmpremiere, November 2024, Düsseldorf, D

Im November ist alles abgedreht, geschnitten und es steht somit die Premiere in der Synagoge an. Zu dieser tauchen wir in vollständiger Familienstärke nebst Euren Großeltern auf. Die sind auch ordentlich verzückt ob deiner cineastischer Darbietung und verschicken in den kommenden Tagen den Downloadlink zum Film an gefühlt jeden der ihn haben will oder nicht. Selbst ich haben ihn nochmal von ihnen gemailt bekommen, wahrscheinlich um absolut sicher zu gehen, daß hier auch ja nichts verloren geht.

Trefflich behandelt ihr in der Schule jetzt gerade ebenfalls das Thema Mobbing. Und da ist der neue Filmstar als Experte natürlich direkt dabei. Und dank deiner Schwester kannst Du sowohl als Täter wie Opfer dein geballtes Wissen beisteuern.

Behalte Dir nur bitte deine verneinende Betrachtung zu Opferrollen bei. Ansonsten dreht Deine Mutter durch. Und dann ist hier ganz schnell doch was los. Und zwar richtig. Und das braucht ja nun wirklich niemand.

Der 158./ 106. Monat – Klassenfahrt II

Kurz nach den Sommerferien steht Leos erste Klassenfahrt nach Bad Sobernheim in Rheinland Pfalz an. Das ist Tradition in der vierten Klasse unserer Grundschule. Damit haben wir nur leider gar keine Erfahrung, da dieselbige zur Zeit von Sarah Sophies vierter Klasse damals coronabedingt ausgefallen ist und wir da damals etwas selbst organisiert haben. Daß dies nun auch schon wieder vier Jahre her ist erscheint mir schier unglaublich.

Also das übliche Prozedere. Elternabend mit Schwerpunkt „Klassenfahrt“ mit unfassbar schwer nachzuvollziehenden Fragen mancher Eltern; Listen mit unbedingt zu beachtenden und einzupackenden Dingen, welche man unzählige Male verlegt und Diskussionen in der Eltern-WhatsApp-Gruppe, die mich mehrfach an der Schwarmintelligenz in eben diesem Zwangskollektiv zweifeln lassen. Mir fällt Anfang des Monats schlagartig ein, das wir noch bezahlen müssen, erledigen dies aber artig und ich schmunzle noch über den Satz in der Anmeldung „Eine Stornierung ist nach der Anmeldung möglich, eine Kostenerstattung erfolgt aber nicht.“ Also eigentlich alles normal.

Mir ist es nichtmal im Traum in den Sinn gekommen, daß wir darüber sprechen könnten, Dich nicht an der Klassenfahrt teilnehmen zu sehen. Und genau dies ist das ganz große Thema in diesen Tagen. Oder anders ausgedrückt: Leo will nicht. Niemals, nein, auf keinen Fall.

Ich bin sprachlos und weiß nicht wirklich wie ich reagieren, geschweige denn helfen kann. Du hast gegenwärtig ohnehin schwer „nah am Wasser“ gebaut. Du wachst nachts auf, weinst und bist nicht in der Lage zu erklären wieso und warum. Das Ganze wird davon abgerundet, daß Eure Mutter für über zwei Wochen durchgängig in Thailand weilt. Der große Junge mit der noch größeren Klappe ist von jetzt auf gleich ganz klein. Ich verbringe folglich einen Großteil der Zeit damit Dich zu trösten und Deiner Schwester begreiflich zu machen, vielleicht etwas leiser die ein oder andere Spitze gegen Dich zu schießen. Ich habe mich schonmal wohler gefühlt und die fünf Stunden Zeitunterschied in Richtung Bangkok machen abendliche Videocalls von Leo und Eurer Mutter nicht einfacher.

Ich versuche also irgendwie herauszubekommen warum Du partout nicht auf Klassenfahrt möchtest. Keine Chance, immer die gleiche Aussagen: „Ich möchte nicht. Ich weiß nicht warum.“ Alle deine Fussballkumpels aus der Schule fiebern dem Event entgegen und Du offenbar auch, aber eben nur in der Schule. Das weiß ich über einen Umweg. Da Du Montags nicht mit dem Schulbus nach Hause fährst, komme ich zwangsläufig mit anderen Eltern ins Gespräch. Der Vater eines Deiner Fußballjungs aus der Klasse berichtet mir wie ihr augenscheinlich schon die verschiedenen Tage durchplant und ist sehr darüber verwundert, als ich erwähne nicht garantieren zu können, ob Du überhaupt mitfährst. Somit weiß ich noch weniger als bisher. Großartig.

Sarah Sophie ist unterdessen damit beschäftigt unaufhörlich davon zu berichten wie phänomenal ihre erste Klassenfahrt auf dem Gymnasium in der sechsten Klasse war. Nach einer weiteren Woche einigen wir uns auf so eine Art abwartenden Kompromiss. Du bleibst angemeldet und wir verschieben die Deadline für eine eventuelle Absage auf den vorletzten Schultag, also den Freitag vor Tourstart. Bleibt noch zu klären, was eigentlich mit den Kindern passiert, die nicht mit auf Klassenfahrt gehen. Da alle drei der vierten Klassen gemeinsam fahren, scheidet der Besuch einer Parallelklasse aus und Du dürftest in eine der dritten Klassen wandern. Das begeistert weder Dich noch mich.

Doch hier brauche ich mich um nichts zu kümmern: „Papa, ich hab’s! Ich werde krank, wir fahren zum Boot und wir machen diese Tour zu den Burgen am Rhein von denen wir gesprochen haben! Cool, oder?“ „Gewiss!“ entgegne ich. Scheitert nur an drei Umständen: „Erstens wäre Sarah Sophie dann eine Woche alleine, da ich weiß das Eure Mutter irgendwo aushäusig umherwerkelt. Zweitens melde ich Dich nicht einfach so für eine ganze Woche krank und drittens fandest genau Du meine „Boot & Burgen“-Idee im letzten Sommer total doof, falls ich Dich daran erinnern darf. Argument eins wiegelt Sarah Sophie unter Verweis auf die Lieferando-App auf ihrem Telefon ab, Nummer zwei wird gekonnt hüstelnd übersprungen und an Verhaltensäußerungen zu Punkt drei kann sich auf einmal niemand mehr erinnern.

Die Verhandlungen stocken somit und der Hund muss dringend raus. Das muss er in letzter Zeit immer öfter wenn erzieherische Konferenzen unterbrochen werden. Ich vermute da einen Zusammenhang.

Nächster Tag, neues Glück: Du springst aus dem Schulbus und präsentierst mir stolz den Zimmerbelegungsplan. Es gibt nur ein Sechserzimmer in dem Haus und wer hat das bekommen? Natürlich die sechs Fußballjungs mit dem zukünftigen 9er der deutschen Nationalmannschaft.

„Also fährst Du doch mit auf Klassenfahrt?“ frage ich. Kurze Antwort: „Natürlich, Papa. Wir haben jetzt schon den Zimmerplan gemacht. Ich kann die Jungs doch jetzt nicht hängenlassen. Wir sind ja praktisch eine Mannschaft!“ „Natürlich nicht!“ stimme ich zu. Zwei Wochen Palaver und Bangen sind ab sofort beendet. Masel tov.

Das 6er-Zimmer mit dem 9er, September 2024, Düsseldorf/ Bad Sobernheim, D

Mit den Worten „Und die Bootstour zu den Burgen machen wir aber auch noch. Wir schauen jetzt direkt wann. Komm Papa.“ ziehst Du mich zur Haustür.

Wahrscheinlich muss der Hund jetzt nie mehr raus. Gute Fahrt, mein großer 9er.

Der 157./ 105. Monat – Ankerbier

Diese Sommerferien bleibt es beim „Alles ist anders“. Wir ziehen sozusagen weiter nach Norden. Irgendwann kommt Eure Mutter mit der Idee um die Ecke zwischen den schottischen Hebriden umhersegeln zu wollen. Konkreter gesagt uns segeln zu lassen.

Aber der Reihe nach: Ihr befreundeter Arbeitskollege Uwe hat einen Studienfreund namens Stefan und der wiederum besitzt die „Lady of Avenel“, einen 102ft-Zweimaster den er samt Crew für eine Woche in den Sommerferien an Arbeitskollege Uwe und uns verchartert. Aktueller Liegeplatz ist Castlebay, Insel Barra, Schottland, Nordostatlantik. Klinkt schon kalt, aber spannend, oder?

Eure Mutter platzt an irgendeinem Frühstück mit der fröhlichen Nachricht über Euch herein, nachdem sie das Ganze immerhin am Vorabend mit mir besprochen hat, immer versehen mit dem Hinweis: „Ist mal was anderes. Ich kann Uwe aber jederzeit absagen.“ Was soviel heißt wie: „Wie holen wir Euch für das Projekt ab?“

Das geht überraschend simpel, da Sarah Sophie folgert, wenn man schon auf der größten britischen Insel ist bleibt einem natürlich nicht anderes übrig als zwangsweise ein paar Tage in London bleiben zu müssen. Unmittelbar gefolgt von Leos Fundamentalblockade. Mehrtägige Stadtaufenthalte sind derzeit ausschließlich mit Stadienbesuchen denkbar. Während Sommerpause in der Scottish Premiership also schwierig. Du bist so sehr damit beschäftigt uns London auszureden, das du die hinreichende Bedingung für London komplett außer Acht lässt. Das ist mein Ansatzpunkt, Ablenkung ist also das Gebot der Stunde und ich verklickere Dir folgende Idee.

Nach dem Segeltörn fahren wir nach Glasgow, schauen uns nach einem Trikot von Celtic oder den Rangern um und setzen Deine Schwester und Mutter ins Flugzeug. Die Damen fliegen dann nach London, wir und Emma Richtung Newcastle, gehen dort auf die Fähre nach Amsterdam und sind am nächsten Vormittag bereits auf unserem Boot am Leukermeer. Wird aber noch besser: Das erste Rückrundenspiel von Fortuna ist genau an diesem Sonntag um 13:30 Uhr. Das können wir problemlos gucken, während wir auf die Fähre warten. Strahlende Augen. „Papa, daß hast Du Dir aber sehr gut überlegt. Genau so machen wir das. Dann ist das ja sogar doppelter Jungsurlaub auf zwei Booten. Der Fähre und unseres. Super!“ Von dem Segeltörn davor habe ich nichts mehr gehört und werte das als stillschweigende Zustimmung.

Lady of Avenel, August 2024, Oban, SCO

Emma braucht noch irgendeine Behandlung um ins Vereinigte Königreich einreisen zu dürfen und dann geht es auch schon los. Erst zu unserem Boot, in der irrtümlichen Annahme dort liegen die Neoprenanzüge von Euch. Dafür ernte ich noch bitterböse Vorwürfe in ein paar Tagen. Dann weiter in die Nähe von Amsterdam. Von hier auf die Nachtfähre nach Newcastle an die englische Ostküste kurz vor der schottischen Grenze. Einen Tag verbringen wir in Edinburgh was Leo überraschend gut erträgt. Ich vermute einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Essen. In einem Vorort spült es uns an eine wohlgerühmte Lobsterbude die aber natürlich auch „Fish and Chips“ bereithält, Dein von nun an bevorzugtes oder besser gesagt ausschließliches Essen ist.

„God save the King!“

Von Edinburgh geht es nach Oban an der schottischen Westküste wo wir abermals eine Fähre besteigen. Diesmal ohne Auto, das bleibt hier, denn in Oban endet unser Segeltörn wieder. Abends landen wir dann in Castlebay auf Barra an und setzen mit dem Dingi auf den Zweimaster über. Emma muss an der ein oder anderen Gangway und Treppe noch etwas geschoben werden, meistert aber schließlich alles.

Schiffshund Emma, August 2024, Tobermory, Isle of Mull, SCO

Wir beziehen unsere Kajüten und bunkern aus dem letzten Supermarkt für eine Woche noch ein paar Schachteln Bier. Die Crew ist über Leos einseitiges Speiseverhalten informiert und hält genügend Fish diesmal ohne Chips bereit. Fritteusen auf Segelschiffen sind wahrscheinlich keine gute Idee. Am nächsten Tag geht es los. Bestes Wetter, kein Wind daher sind wir zunächst unter Motor unterwegs. Das ändert sich aber glücklicherweise.

Die Tage ziehen dahin, kreuz und quer durch die Hebriden. Wir haben jedes Wetter und jeden Seegang dabei. Besonders von Letzterem kann Eure Mutter berichten, aber ich nicht hier das habe ich versprochen. Leo hat in den ersten Tagen überhaupt keine Zeit sich zu beschweren, da es mehrmals täglich seitens der Crew über Deck erklingt: „Leo! Rigging the sails!“ Tja, der kleine Seemann muss nämlich mit anpacken. Du schlägst dich wacker und es wird gezogen, was die Leinen hergeben. Das ist natürlich nicht so ganz ernst gemeint und es steht immer ein Mitglied der Crew hinter dir.

Leichtmatrose Leo, August 2024, Castlebay, Isle of Barra, SCO

Erst nach drei Tagen fällt dir auf, daß deine Schwester hingegen offenbar direkt zum Steuermann befördert wird. Sarah Sophie steht ausnahmslos mit oder ohne Skipper am Ruder. Hier ist nix mit Matrosentätigkeit. Da wird gleich Kurs gehalten.

Sarah Sophie steuert die „Lady of Avenel“, August 2024, Hebriden, SCO

Das lässt Du natürlich nicht auf dir sitzen und am folgenden Tag steht „Käpt‘n Rotzlöffel“ am Steuerrad. Den Namen hast Du bereits vom ersten Tag an weg, wahrscheinlich ob Deiner zurückhaltenden Art Dich zu beschweren.

Käpt‘n Rotzlöffel, August 2024, Hebriden, SCO

Unser Skipper meint sogar „Bei soviel Inbrunst kann er auch schon beim Ankerbier dabei sein.“ Das wolltest Du dann aber doch nicht, weil Dir einfach nicht erklärlich zu machen ist, wieso ein Anker nur hält, wenn es genug Ankerbier gibt. Macht aber nix, das versuche ich dann nochmal wenn wir auf eigenem Kiel in Holland sind.

Denn Ankerbier habe ich für mich aus Schottland mitgenommen. Das gibt es ab sofort bei uns an Bord auch.

Slàinte Mhath.

Der 156./ 104. Monat – Atlantik mit Dorf

Diesen Sommer haben wir es endlich geschafft einmal nicht nach Korsika zu fahren. An die französische Atlantikküste wollten wir immer schon mal und nun landen wir in Aquitanien unweit des Städtchens Soulac-sur-Mer. Letzteres war zwingend, da Eure Mutter unmissverständlich kundgetan hat nicht wieder irgendwo im Nirgendwo landen zu wollen und man eine nicht zu mickrige Ortschaft zumindest mit dem Fahrrad erreichen können muss. Mindestanforderung also erfüllt. Soweit so gut. Der auserkorene Campingplatz verfügt über einen eigenen Hundestrand, die Rahmenbedingungen stimmen somit. Bleibt nur noch das wettermäßige Restrisiko, da ich jedem geographischen Punkt nördlich des Mittelmeers witterungstechnisch zutiefst misstraue selbst wenn wir über Anfang Juli sprechen.

Wir starten Freitag direkt nach Schulschluss kommen aber nicht ganz so weit, da ja um 18Uhr das EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Spanien ansteht. Das müssen wir natürlich live gucken und somit campieren wir kurz vor Paris. Eure Mutter und Sarah Sophie schaffen sogar noch eine kleine Shoppingrunde während Leo und ich uns gebührend auf das Spiel vorbereiten. Zum Spiel selbst muss man wohl nichts mehr sagen, jedenfalls ist die Europameisterschaft bekanntlich danach irgendwie zu Ende. Am nächsten Morgen geht es weiter und nachmittags erreichen wir unser Ziel: Der größte Campingplatz auf dem ich je war. Das ganze ist eher eine Stadt mit Marktplatz, mehreren Restaurants, Geschäften und – ganz wichtig für Euch – drei Pools. Die dazugehörenden Rutschen habe ich Euch wohl minimal zu opulent verkauft, die Reaktion stabilisiert sich auf „Na, ja“-Niveau.

Tja, und die folgenden Tage sind vor allem eins: Gefühlt kalt. Vor allem morgens, abends, von den Nächten ganz zu schweigen ist es unangenehm und ich begreife warum einer der Pools von einer Halle umbaut ist. Das Animationsprogramm hingegen liegt voll auf Eurer Welle und ihr seit an den Vormittagen meist verschwunden. Man kann nicht alles haben.

Der Strand bietet seinen ganz einen Charme, liegen wir hier zwischen zahlreichen Bunkeranlagen des sogenannten Atlantikwalls mittels dessen Nazideutschland die alliierte Invasion verhindern wollte. Absurde Relikte deutschen Größenwahns aus meterdickem Beton liegen diese Kolosse kreuz und quer im Sand. Garniert wird das ganze von einem rauen Atlantik an dessen Küste gerne rote Flaggen wehen. Baden ist daher oft nicht. Das klingt jetzt alles ganz furchtbar, empfinde allerdings nur ich so. Ihr habt mit Marie schnell eine gemeinsame Freundin gefunden und mit deren Mutter absolviert Eure Mutter stundenlange Besuche im Café. Emma war noch nie so viel spazieren wie in der ersten Woche dieser Ferien. Irgendwie sind fast alle zufrieden. Wie schön Korsika jetzt bestimmt ist.

Ab Woche zwei ist aber alles gut, die Wind-/ und Wetterkapriolen geben auf, die Temperaturen steigen und schwimmen kann man jetzt im Meer auch. Ich gebe Ruhe und der Hund liegt ab sofort wieder standesgemäß faul am Strand herum.

Für unsere Verhältnisse gehen wir in diesen Ferien recht häufig essen und das liegt vor allem an Sarah Sophie. Du hast Austern für Dich entdeckt. Eine Leidenschaft der eure Mutter ebenfalls innig frönt und es bedarf daher wenig Überredungskunst. Wir sitzen hier natürlich auch direkt an der Quelle und mindestens jeden zweiten Tag im Restaurant. Klar was hier zur Vorspeise geordert wird. Leo tappert ohne Murren mit und ernährt sich ausschließlich von Chicken Nuggets mit Pommes frites. Eure Mutter und ich beschließen, daß das in den Ferien auch erlaubt ist und verbringen einen entspannten Urlaub. An manchen Tagen schaffen die Damen sogar schon zum Lunch ein paar Austern vorneweg. Wenn man sowieso gerade im Bistro sitzt. Wozu extra aufstehen.

Austernferien, Juli 2024, Grayan-et-l’Hôpital, F

Den Austern-Campingplatz finden alle so großartig, daß ihr bereits vor der Abreise beschließt im kommenden Jahr wieder hierher zu wollen und ich doch tatsächlich am letzten Tag bereits für den nächsten Sommer reserviere. Ich glaube, das wird das neue Korsika. Am besten gewöhne ich mich zügig daran. Ach, das zwingend nötig vorhanden sein müssende Städtchen in erreichbarer Entfernung haben wir übrigens nie besucht. Wahrscheinlich saß immer irgendeiner in der Austernbude.

Um die Sache mit dem Städtchen aber dann doch noch irgendwie rund zu bekommen fahren wir zum Abschluss einen kleinen Umweg um ein Open-Air Konzert von Nina Chuba zu besuchen. Daher merke: Emmendingen im Breisgau liegt praktisch fast am Atlantik. Alles eine Frage der Perspektive und der Motivation.

Da gab es aber gar keine Austern. Komisch!

Der 155./ 103. Monat – So schön und klug

Leo ist im Juni zu zwei Geburtstagen eingeladen. Das ist an sich nichts ungewöhnliches, allerdings herrscht bisher strickte Geschlechtertrennung. Jungs werden zu Jungsgeburtstagen, Mädchen zu Mädchengeburtstagen eingeladen. Damit ist jetzt Schluss. Zwei junge Damen aus deiner Klasse bitten zu Feierlichkeiten. Einmal zum Reiterhof, einmal zur Gartenparty mit Pool. Wenn schon, dann eben auch richtig Mädchen. Die sprachliche Einordnung stammt übrigens von Leo, nicht von mir. Das möchte ich nur kurz klarstellen.

Meine Frage ob denn auch andere Jungs eingeladen sind verneinst Du verbunden mit dem lapidaren Kommentar, daß die beiden ja eben in dich verliebt seien und nicht in deine Kumpels. Ach so, das erklärt selbstredend natürlich alles. Das Ganze erlaube ich mir nicht so ganz ernst zu nehmen und vermute dahinter eher deine aufkommenden Starallüren die du derzeit an den Tag zu legen beginnst, sobald Du mitbekommst das mehrere Menschen um dich herum irgendetwas toll an dir finden. Das bewegt sich noch auf zaghaftem Niveau, daß ich dir das durchgehen lasse, zumal du das in der Schule damit kompensierst, leistungsschwächeren Mitschülern immer wieder zu helfen, was mir von Lehrerseite bestätigt wird und ich dies schlicht großartig finde.

Aber da steckt doch tatsächlich mehr dahinter. Eines Tages steigst Du aus dem Schulbus und überreichst mir die aktuelle Fanpost in Form von zwei hingebungsvoll gestalteten Liebesbriefen. Jawohl richtig verstanden: Liebesbriefe. Das habe ich zwar eher aus Richtung deiner Schwester erwartet, vom Gymnasium kommt aber derartiges nicht, oder zumindest nicht bis zu mir durch. Ich bitte um Aufklärung und die lieferst Du auch prompt hintendran. Das gehe schon eine ganze Weile so, das wisse die halbe Schule denn da gebe es nämlich noch eine dritte Verehrerin die aber keine Briefe schreibt sondern lieber das schmachtende Begehr der Konkurrenz über den Pausenhof publik macht. Zickenkrieg in der dritten Klasse. Wahrscheinlich ganz großes Kino.

Leo bekommt Post, Juni 2024, Düsseldorf, D

Ich frage wie Du damit umzugehen gedenkst und auch hier läßt die Antwort nicht lange auf sich warten: „Gar nicht, Papa!“ erwiderst Du. „Zu den Geburtstagen gehe ich natürlich, aber mehr bekommen die nicht. Da habe ich doch gar keine Zeit für. Ich will ja Fußballer werden, darauf muss ich mich konzentrieren.“ Das nenne ich mal einen ordentlich pragmatischen Lebensentwurf eines Achtjährigen. Respekt.

Sarah Sophie befragst Du was man denn Mädchen so schenken kann und sie nimmt die Rolle als Geschenkefachberaterin vollumfänglich an. Am kommenden Tag stiefelst zu mit einer ganzen Liste abzuklärender Aspekte in die Schule um so wichtige Fragen wie beispielsweise vorhandene Ohrlöcher, Lieblingsfarben, Musik und vieles mehr abzuklären. Die begehrende Zielgruppe ist – laut deiner Aussage – verzückt ob deines nachforschenden Interesses nach Ihren Vorlieben. Und als nun gestandener Nachwuchscasanova haust Du gleich noch einen raus: „Papa, ich habe beiden gesagt, daß ich ihnen nicht irgendwas von Ihrer Amazon-Wunschliste kaufen möchte. Lieber was ganz persönliches.“ Nicht schlecht, dafür das Du ja „nur“ zu den Geburtstagen gehen möchtest.

Gestützt durch besagte Liste, von der schwesterlichen Geschenkefachberaterin professionell analysiert kaufen wir diverse Ohrringe, Armbänder und Sonstiges zum an- und umhängen. Die Begehrenden sind hochbeglückt, Du kommst aber von beiden Geburtstagen überschaubar gestimmt zurück.

„Papa, daß ist so anstrengend den halben Tag so zu tun, als ob man an den ganzen „Mädchensachen“ auch noch Spaß hat. Nächste Woche feiert Lionel, da gibt es Fußball. Endlich wieder normaler Geburtstag.“

Währenddessen platzt Eure Mutter ins Geschehen und verließt das mütterliche WhatsApp-Feeback der begehrenden Fraktion. „Wie charmant Du doch bist, wie höflich und galant.“ Mich besteigen Zweifel ob wirklich Du auf den Geburtstagen warst. Das bestätigst du aber mit schelmischem Grinsen „Ich bin gut, oder Papa.“ „Nein, Du bist verdammt gut.“ Chapeau, mein Sohn!

Zu der ganzen Geschichte paßt übrigens mein Besuch in der Schule ein paar Tage später. Ich bin viel zu früh und mitten in die Große Pause geplatzt. Du hast natürlich Fußball gespielt und am Rand stehen zwei junge Damen die jedes geschossene Tor beseelt bejubeln. Und ihr kleiner Star läuft wahrscheinlich auch nur rein zufällig immer in ihre Richtung um seinen Torjubel zum Besten zu geben. Ich glaube wir haben Post von den beiden zuhause liegen. Da das Briefgeheimnis selbstverständlich zu ehren ist, bleibt der Inhalt natürlich unveröffentlicht. Aber einen Satz muss ich einfach loswerden. Ich bitte die Verfasserin auch vorab um Verzeihung.

„Ich bin in dich verliebt, weil du bist so schön und klug.“

Das ist einfach zu bezaubernd um es irgendwann zu vergessen.

Der 154./ 102. Monat – Von Hamburg in die Schweiz

Irgendwie kommen manchmal gerade lange Wochenenden so plötzlich. Jedenfalls steht das verlängerte Wochenende über Christi Himmelfahrt Anfang Mai unmittelbar bevor. Das Boot steht noch im Winterlager, ich schlage daher vor genau dies zum Wochenende zu ändern, aber Eure Mutter mäkelt nur ein ganz kleines wenig bisschen herum in die Richtung „Wir sind doch schon im Sommer so oft in Holland, usw.“. Die zurückhaltende Aufforderung eines zielgerichteten Wunsches in Richtung „Mach was, ich will da nicht hin.“ „Ja, leise Töne kann sie wirklich.“

Der Hafengeburtstag in Hamburg fällt genau auf dieses lange Wochenende. Großstadt geht bekanntlich immer und rein zufällig spielt Fortuna an diesem Samstag bei Holstein Kiel. Also nur eine Stunde Zugfahrt entfernt. Die Mädels dann Samstag shoppen, Leo und ich ab nach Kiel. Man bin ich von meiner Idee begeistert und die wird sogar noch besser. Nach einem Blick auf die Hotelpreise an besagtem Wochenende wird mir etwas schwindelig. Das mag möglicherweise damit zu tun haben, das wir hier von einem Vorlauf von nur rund einer Woche sprechen. Kurzum, das ist keine Option, will man nicht deutlich über eintausend Euro für drei Übernachtungen in der Hamburger City ausgeben.

Aber einen Hafengeburtstag kann man ja auch auf eigenem Kiel besuchen. Ich bin selten so hochgestimmt von einer Idee und schaue nach einer passenden Marina. Das dauert auch nicht besonders lange und ich lande beim Sportboothafen Möller an der Dove-Elbe, 20 Minuten vom Stadtzentrum entfernt. Nach einem Telefonat mit dem Hafenmeister ist alles klar und ich überzeuge ihn auch davon ausnahmsweise am Mittwoch Nachmittag den Traktor anzuwerfen um unser Boot auf dem Trailer zu Wasser zu lassen. Das geht aus irgendwelchen Gründen an dem Tag aber absolut überhaupt nicht, weil irgendjemand seinen freien Jahre Tag hat, höchstens eventuell, aber eigentlich niemals nie und wenn überhaupt nur zu bestimmten Anlässen. Ich dachte Fischköppe reden nicht viel, entgegne dann aber: „Na, den haben wir doch: „Flachwasserskipper besucht Hochseekapitän“ geht glatt durch und er brummt mir ein „Ruf mich an wenn du am Maschener Kreuz bist.“ Geht also doch, das mit der norddeutschen Wortkargheit. Das werte ich mal als ja.

Da eine vollumfängliche Anreise auf eigenem Kiel jedweden vernünftigen Zeitrahmen sprengen würde (selbst bei zehn Stunden reiner Fahrzeit pro Tag, ist das ganze nicht unter 6 Tagen zu realisieren), bleibt wohl nur die Überlandfahrt.

Auf dem Wasserweg wohl eher nicht, Mai 2024, Düsseldorf, D

Daher ist die Lösung: Ich fahre einen Tag früher mit PKW und Boot auf dem Trailer vorweg und Eure Mutter kommt mit Euch mit dem Zug hinterher. Auf dem Rückweg ebenso. Ein solches Gespann darf (und sollte auch nur) maximal 80 km/h fahren wodurch so ein Trip schonmal zu einen Tagestour werden kann.

Fast auf dem Weg nach Hamburg, Mai 2024, Kalkar, D

Ich verkünde die Idee für nächstes Wochenende und blicke auf eine äußerst zufriedene Zielgruppe. Besonders Leo findet die „Ausflug im Ausflug-Idee“ ins Holstein-Stadion besonders gut. Man bin ich stolz auf mich. Alle glücklich.

Tja, aber das war es dann auch schon wieder mit dem maritimen Ausflug. Nicht einmal 24 Stunden später telefoniert Eure Mutter mit unseren Schweizer Freunden aus Fribourg und es entspinnt sich eine Einladung in die Eidgenossenschaft. „Du hast doch nix fest gebucht, oder?“ folgt es samtweich in meine Richtung. „Natürlich nicht, ich plaudere einfach nur so zum Spaß mit hanseatischen Hafenmeistern und quatsche denen ihren freien Tag ab. Mach dir keine Gedanken.“ Ich eröffne schriftlich meinen Rückzug vom freien Tag und verweise auf familieninterne Dispositionsdiskrepanzen.

Aufs Wasser ging es dann aber doch noch. Leo macht mit Bastian auf dem Murtensee in der Schweiz seinen ersten Segelkurs und mit einem gemieteten Bötchen schippert es sich ja auch ganz nonchalant übers Wasser. Also ehrlich gesagt machst Du eher einen Flautenkurs. Das gesamte Wochenende ist traumhaftes Wetter nur eines fehlt ein ganz klein wenig, was zum segeln durchaus hilfreich sein kann: Wind! Davon hat es nicht all zu viel, so das es hier drei Tage geschwindigkeitsmässig überschaubar zugeht. Was dich aber in keiner Weise stört und ich vermute Du möchtest in Zukunft mit Herr Kapitän angesprochen werden. Das sei Dir zugestanden.

Leo lernt segeln, Mai 2024, Murtensee, CH

Vielleicht ist das auch mit ein Grund dafür, daß aktuell die Idee entsteht, doch mal hierhin mit unserm Boot zu kommen. Eure Mutter kommuniziert das unverzüglich jovial in Richtung unserer Freunde. „Thorsten hat da schonmal mit jemanden telefoniert. Er weiß wie das alles funktioniert!“ Selbstverständlich. Hamburger Hafenmeister geben in Nebensätzen grundsätzlich kantonale Revierinformationen für die Schweiz bekannt.“ Das habe ich vielleicht nur einfach vergessen. Ich kann ja beim nächsten mal nachfragen.

Ach und noch was: So ganz böse können wir Eurer Mutter gar nicht sein, daß sie unseren ersten Überland-Bootsausflug unabsichtlich umdisponiert hat. Das Fortuna-Spiel in Kiel ist seit Wochen ausverkauft. Das habe ich, wahrscheinlich ob aller Begeisterung, wirklich vergessen. Aber das wird Leo bitte nicht verraten.

Ahoi.